Als Antisemitismus wird eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden bezeichnet, die sich als Hass gegen diese ausdrücken kann. Judenfeindlichkeit hat in Europa und Deutschland eine lange Geschichte, die bis ins frühe Mittelalter zurückreicht. Im Mittelalter wurde Judenfeindlichkeit vor allem religiös begründet, sie äußerte sich in Diskriminierung, Ausgrenzung, Pogromen und Vertreibungen. Ab dem 19. Jahrhundert wurde Jüdinnen und Juden mit pseudowissenschaftlichen Erklärungen eine angebliche Andersartigkeit zugeschrieben. Die Stereotype, die Antisemiten Jüdinnen und Juden zuschreiben (z.B. Rachsucht, Geldgier, Verschlagenheit), gehen zum Teil auf Vorurteile aus dem Mittelalter zurück. Ein wichtiger Bestandteil antisemitischer Vorwürfe ist auch der, Jüdinnen und Juden hätten sich heimlich verschworen und würden heimlich die Geschicke der Welt steuern – Antisemitismus ist somit eine Blaupause für Verschwörungserzählungen. Antisemitismus war zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie, die während des sogenannten Dritten Reichs in der Shoah, der Ermordung von sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Juden gipfelte. Somit sind antisemitische Erzählungen nicht nur zutiefst antidemokratisch und diskriminierend, weil sie einem Teil der Bevölkerung die Teilnahme am öffentlichen Leben erschweren und unmöglich machen – sie stellen in letzter Konsequenz auch eine reale Gefahr für das Leben von Jüdinnen und Juden dar.
Die Existenz jüdischer Gemeinden auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland ist seit über 1700 Jahren belegt, in den Herzogtümern Schleswig und Holstein lässt sich der dauerhafte Aufenthalt von Jüdinnen und Juden seit Ende des 16. Jahrhunderts nachweisen. Mit der Shoah hörte jüdisches Leben in Schleswig-Holstein auf zu existieren, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es hier keine jüdischen Gemeinden mehr. Ab den neunziger Jahren zogen Jüdinnen und Juden als sogenannte Kontingentflüchtlinge aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in die Bundesrepublik und nach Schleswig-Holstein zu, in der Folge wurden erste Gemeinden neu gegründet. Heute gibt es in Schleswig-Holstein neun jüdische Gemeinden, die sich in zwei Landesverbänden organisieren.
Landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus (LIDA-SH)
Um Antisemitismus effektiv bekämpfen zu können, ist zunächst ein genaues Lagebild von Ausmaß und Ausprägung antisemitischer Einstellungen vonnöten. Die Landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus (LIDA-SH) in Trägerschaft des Zentrums für Betroffene rechter Gewalt (ZEBRA e.V.) dokumentiert seit 2019 antisemitische Vorfälle und Angriffe im Land. Dazu zählen auch Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Die Dokumentation solcher Vorfälle und die Veröffentlichung strukturierter Auswertungen tragen dazu bei, das Dunkelfeld antisemitischer Vorfälle aufzuhellen und sein Ausmaß öffentlich zu machen. Diese Erkenntnisse sind wichtig für die Entwicklung von Maßnahmen zur Prävention und zur Bekämpfung von Antisemitismus. Außerdem ist es für Betroffene wichtig, über erlebte Angriffe sprechen zu können, ggf. Beratung zu erhalten und zu wissen, dass die Meldung dazu beiträgt, Antisemitismus öffentlich zu machen und seine Bekämpfung voranzutreiben.
Landesaktionsplan gegen Antisemitismus und für die Sichtbarkeit jüdischen Lebens
Im Juli 2021 wurde der schleswig-holsteinische Landesaktionsplan gegen Rassismus verabschiedet, der 158 bereits bestehende und neue Maßnahmen für die Prävention von und den Kampf gegen Rassismus enthält. Daran anknüpfend wurde Anfang 2022 beschlossen, einen Landesaktionsplan gegen Antisemitismus und für die Sichtbarkeit jüdischen Lebens zu entwickeln. Der Landesaktionsplan gegen Antisemitismus wird in einer Interministeriellen Arbeitsgruppe unter Federführung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (MBWK) erarbeitet. Das Landesdemokratiezentrum ist Teil der Interministeriellen Arbeitsgruppe und trägt mit der Kontakt- und Fachstelle für Antisemitismusprävention dazu bei, bereits vorhandene Maßnahmen gegen Antisemitismus im Land Schleswig-Holstein zu sammeln und zu bündeln sowie neue Maßnahmen zu entwickeln, damit antisemitischen Einstellungen präventiv begegnet und sie effektiv und nachhaltig bekämpft werden können. Darüber hinaus hat der Landesaktionsplan zum Ziel, jüdisches Leben in Schleswig-Holstein zu stärken und seine Existenz in seiner ganzen Vielfalt im Land sichtbarer zu machen. Die beiden jüdischen Landesverbände sind daher selbstverständlich auch an der Erarbeitung des Landesaktionsplans gegen Antisemitismus und für die Sichtbarkeit jüdischen Lebens beteiligt.